„Ökozid versus Ökonomie“ – Klimaklagen im 21. Jahrhundert

Podiumsdiskussion: Vorverurteilung durch die Medien?
28. Juni 2018
Podiumsdiskussion: Vorverurteilung durch die Medien?
28. Juni 2018

Kaum ein politisches Thema hat in der letzten Zeit eine solche Aufmerksamkeit erfahren wie der Klimawandel. Die Klage des peruanischen Kleinbauers Saúl Lliuya gegen den RWE-Konzern rückte jüngst die Frage nach der rechtlichen Verantwortlichkeit für Treibhausgas emittierende Unternehmen hinsichtlich der globalen Folgen des Klimawandels in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Sorge um das Klima ist auch in der Mitte der westlichen Gesellschaft angekommen, sodass die Podiumsdiskussion „Ökozid versus Ökonomie“ nur eine Frage der Zeit war.

Der Moderator Professor Jörg Fedtke, Inhaber des Lehrstuhls für Common Law in Passau, begann mit der Vorstellung der drei Diskutanten. Die Professorin für Physische Geographie, Christine Schmitt, diskutierte aus der Perspektive der (Natur)Wissenschaft. Die rechtswissenschaftliche Position nahm Moritz Knöferl ein, der (noch) studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht von Prof. Thilo Rensmann, LL.M ist. Die klimaaktivistische Sichtweise vertrat die Fridays for Future Beauftragte Pauline Port. Eine erste Einleitung in das Thema war die metaphorische Frage, wo der Zeiger auf der Klimauhr aktuell stehe. Frau Port benannte den Zustand „30 Sekunden vor 12“ und nahm dabei das Individuum in die Verantwortung. Zudem sprach Sie sich für eine grundlegende Systemveränderung aus, wobei Gerichtsurteile als sog. „Boost“ in die richtige Richtung dienen würden. Auch Frau Schmitt stimmte Frau Port dahingehend zu und betonte, dass es dabei auf jeden Einzelnen ankäme. Es bräuchte ein gewisses Bewusstseinshandeln und es dürfe nicht erst auf die Politik gewartet werden. Herr Knöferl lenkte den Fokus auf die internationale Ebene und führte in diesem Kontext das Pariser Klimaabkommen an. Er verglich die momentane Lage bildlich mit einem „Zug der einfährt“. Im Vergleich zu anderen Nationen sei Deutschland in der Klimawende gut aufgestellt und er sehe den fundamentalen Antrieb hin zu einer Klimawende in der notwendigen Akzeptanz der Gesellschaft, sodass es vielmehr auch um eine soziale Frage gehe.

Frau Schmitt stellte heraus, dass die Problematik auf wirtschaftlicher Seite bei den Global Playern liege, die allen voran die ersten Schritte machen müssten. Herr Knöferl gab daraufhin zu bedenken, dass es bezüglich des Verbrennerausstiegs zunächst überhaupt gewisse Anreize für die Unternehmen bräuchte. Mit dem geplanten Ausstieg seien gleichzeitig komplexe Probleme wie eine Umstrukturierung sowie Arbeitsplatzverluste in der Zuliefererkette verbunden.

Prof. Fedtke warf die Frage auf, ob nun die Politik oder die Justiz uns retten könne, woraufhin Frau Port von einem „system change not climate change“ sprach. Sie pflichtete Prof. Fedtke bei, dass dabei die Gerichte ein effektives Mittel der Durchsetzbarkeit darstellen würden. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang das BVerfG-Urteil hinsichtlich des teilweise rechtswidrigen Klimaschutzgesetzes, bei welchem Art. 20a GG als Bezugspunkt diene. Frau Schmitt kommentierte unterstützend, dass wir uns momentan in einer weltweiten Schräglage befänden, und dass die Politik insoweit erste Bestrebungen in Richtung Lieferkettengesetz und Konsumverhalten machen müsste. Herr Knöferl hielt dem entgegen, dass die Handlungspflicht vielmehr bei der Gesellschaft läge. Er beschrieb das Pariser Klimaabkommen auf europäischer Ebene als eine „Koalition der Willigen“, an dem solche Länder teilnehmen würden, die auch nichts zu befürchten hätten. Prof. Fedtke brachte abschließend das Stichwort Menschenwürde ein, für die unser Grundgesetz international bekannt sei. Die Garantie der Menschenwürde sei im Lichte der Ewigkeitsgarantie unantastbar, sodass sich die Frage stelle, ob ein solches Bestreben auch dem Klimaschutz zugutekäme. Herr Knöferl maß der Demokratie allein schon einen exzellenten Schutz bei und Frau Schmitt befand, man müsse in einem viel größeren Maßstab denken. So lässt sich letztlich festhalten, dass nicht nur die Naturwissenschaft sondern auch das Recht vor schwierige Fragen gestellt wird. Besonders bei gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel sind nicht nur die nationalen, sondern gerade auch die internationalen Rechtsentwicklungen wachsam zu verfolgen. Unser Dank gilt den vielen Studierenden, die die Veranstaltung über unser Zoom Webinar besucht haben, Professor Fedtke für die Moderation und ganz besonders unseren drei Diskutanten.